Registerzüge neu gedacht: Von der Orgelkunst zur vielseitigen Inspiration

Die Kunst der Registerzüge: Herausforderungen und Inspirationen

Registerzüge sind weit mehr als einfache Bedienelemente an einer Orgel. Sie sind Ausdruck von Tradition, Ästhetik und handwerklicher Perfektion. Wie es auf Wikipedia treffend beschrieben wird:
„Der Registerzug (auch Manubrium, lat. = Handhabe, Griff, Stiel) ist die älteste Bauform eines An-/Ausschalters für ein einzelnes Register einer Orgel. Diese klassischen Handgriffe finden sich vor allem bei mechanischer Registertraktur und sind insbesondere bei alten Orgeln kunstvoll gedrechselt und aus besonderem Holz gefertigt.“

Doch was passiert, wenn man diese klassische Bauform für eine Truhenorgel adaptieren will? Mein Bruder und ich haben uns genau dieser Herausforderung gestellt – und dabei neue Wege eingeschlagen.

Die Herausforderung bei der Truhenorgel

Truhenorgeln unterscheiden sich durch ihre kompakte Bauweise deutlich von größeren Instrumenten. Das bedeutet: Alles muss kleiner, filigraner und perfekt abgestimmt sein. Besonders bei den Registerzügen, die in ihrer Proportion und Optik harmonisch zur Orgel passen sollen. Doch filigran heißt nicht fragil – die Stabilität muss gewährleistet bleiben, um den mechanischen Anforderungen gerecht zu werden.

Eine zweite Herausforderung stellte die geteilte Windlade unserer Orgel dar. Ein Register benötigt hier zwei Züge – einen für die tiefen Pfeifen und einen für die hohen. Unser Ziel war es, diese beiden Züge optisch zu vereinen, ohne die Funktionalität zu beeinträchtigen.

Das „alte“ Truhenorgelgehäuse. Ich habe die Registerzüge markiert damit ihr seht worum es in diesem Beitrag geht.
Die Herstellung eines Muster-Registerzuges für das neue Truhenorgel-Gehäuses

Technische Umsetzung: Vereinigung von Ästhetik und Funktion

Unsere Lösung? Der klassische runde, gedrechselte Zug wird in der Mitte präzise durchtrennt. Das Ergebnis: Ein eleganter, einheitlich wirkender Registerzug, der dennoch getrennt bedient werden kann – ohne Widerstand, Haken oder Stabilitätsverlust.
Die Inspiration für die Formgebung stammt von der geschwungenen Eleganz einer Cello-Schnecke. Eine Hommage an die Barockzeit und die Kunst des Handwerks.

Die verschiedenen Formen und Hölzer – bereit für die Weiterbearbeitung.

Die Wahl des Materials

Die Frage nach dem richtigen Holz führte zu spannenden Überlegungen. Zur Auswahl stehen geräucherte Eiche und Ebenholz – beide klassische Materialien mit barockem Flair. Während die Eiche mit ihrem warmen, rustikalen Charme überzeugt, strahlt Ebenholz eine zeitlose Eleganz aus.
Um die Funktionalität zu testen, fertige ich das Probestück aus Eiche an – eine praktische Entscheidung, da das Holz preisgünstiger ist. Doch die Ästhetik von Ebenholz bleibt reizvoll. Was meint ihr? Welche Variante spricht euch mehr an?

Herausforderungen bei der Herstellung

Das Drechseln harter Hölzer erfordert höchste Konzentration und Präzision. Jeder Fehlgriff könnte die filigrane Arbeit ruinieren. Besonders Ebenholz stellt durch seine Dichte eine Herausforderung dar – zugleich erleichtert es die abschließende Politur mit Schellack, da die Oberfläche fast von selbst glänzt.

Der Prototyp vor dem Auftrennen für die spezielle Verwendung bei der Truhenorgel.
Die Eiche ist bereit für den „Schleudergang“

Von der Orgel zum Alltagsgegenstand

Während der Herstellung fiel mir etwas auf: Diese Registerzüge könnten die Vorlage für viele weitere Projekte sein! Mit leichten Anpassungen in Größe und Form lassen sie sich als elegante Garderobenhaken, Schubladenknöpfe oder andere Zierelemente verwenden. Die Vielseitigkeit und Schönheit des Designs öffnet ganz neue Möglichkeiten.

Die halbe Schnecke – ein Probestück, das die barocke Schönheit zeigt.

Eure Meinung ist gefragt!

Was denkt ihr – sollte ich für das finale Design bei der Registerzug-Serie Eiche oder Ebenholz verwenden? Und was haltet ihr von der Idee, diese kleinen Kunstwerke auch in anderen Projekten einzusetzen? Ich bin gespannt auf eure Meinungen und freue mich auf die Diskussion!

Update vom April 2025 – Die Registerzüge erwachen

Nachdem die Form der Registerzüge festgelegt war – nach vielen Überlegungen und im intensiven Austausch mit meinem Bruder –, begann der praktische Teil: Ich drechselte die drei Rohlinge aus sorgfältig ausgewählter Eiche, eine Holzart, die Charakter zeigt – offenporig, lebendig, zugleich widerständig. Nach dem Drechseln wurden sie geschliffen, bis die endgültige Form in ihrer ganzen Klarheit spürbar wurde.

Doch damit begann erst der eigentliche Weg. Gemeinsam haben wir eine Räucherkammer gebaut – eine schlichte Kiste, die zum Alchimielabor wurde. Die Registerzüge, die halben Cello-Schnecken und weitere Teile der Orgel fanden darin Platz. Der „Rauch“ durchzog das Holz langsam und gleichmäßig, verändert nicht nur die Farbe, sondern verlieh ihm Tiefe, Wärme und jene fast mystische Dunkelheit, die ich mir erhofft hatte.

Direkt nach dem Räuchervorgang – die Registerzüge in ihrer neuen Tiefe

Räuchern und Porenfüllen

Was diesen Vorgang so spannend macht: Jedes Eichenholz reagiert anders auf das Ammoniakgas. Die Gerbsäure im Holz reagiert individuell – so entstehen Farbnuancen, die sich nicht vollständig vorhersagen lassen. Bei den Registerzügen war das Ergebnis ideal. Bei anderen Teilen musste ich mit einer gezielten Behandlung mit Eisenacetat nachhelfen, um ein stimmiges Gesamtbild zu erhalten. Eine schöne Erinnerung daran, dass das Material manchmal seine eigene Geschichte schreibt.

Nach dem Ausdünsten folgte die nächste Etappe: Die Grundierung mit selbst angerührtem Schellack und feinem Bimsmehl, gefolgt von erneutem Schleifen – sorgfältig, Schicht für Schicht. Keine fertigen Produkte, kein Wachs, kein verstecktes Öl. Die Oberfläche sollte genau dem Bild entsprechen, das wir vor Augen hatten: pur, handgemacht, ehrlich.

Nach dem mehrfachen Porenfüllen – fast porenlos, glatt und bereit für den letzten Schliff

Die größte Herausforderung

Die größte Herausforderung aber war die Politur. Eiche ist offenporig – bei Möbelplatten schon ein anspruchsvolles Unterfangen. Bei den kleinen, runden Registerzügen bedeutete es: Geduld, Präzision und elf Wiederholungen des Füll- und Schleifprozesses, bis ich endlich zufrieden war. Die gesamte Politur erfolgte ausschließlich mit Schellack, Alkohol, Bimsmehl und einem Weißöl.

Als Krönung habe ich einen feinen Innenkranz an der Front jedes Zugs vergoldet – mit einer besonderen Mischung aus Bronzepulver, Schellack und Weißöl. Auch das war ein Experiment – und es ist gelungen. Der schimmernde Ring legt sich dezent um die Mitte, fast wie ein feines Schmuckstück.

Die abschließende Reibungspolitur war dann beinahe ein leichtes Spiel. Nach sieben Aufträgen meiner Politurmischung glänzten die Registerzüge – nicht aufdringlich, sondern mit jener leisen Tiefe, die nur echte Handarbeit erreichen kann.

Das fertige Ergebnis – drei Registerzüge, bereit, sich mit der Orgel zu vereinen

Nun stehen sie bereit. Bereit, ihren Platz einzunehmen. Und wer genau hinsieht, kann vielleicht erahnen, wie viel Experiment, Erfahrung und Hingabe in diesen kleinen, glänzenden Zylindern steckt.

Hier werden die Registerknöpfe später eingebaut

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